Sich in der Natur zu bewegen ist ein wichtiger Bestandteil der Kindertagespflege. © Viktoria Michalski

Zahl der Plätze in der Kindestagespflege deutlich gesunken

Das kleine Würmchen ist noch gar nicht auf der Welt, hat noch an keinem Fläschchen genuckelt, noch keine Windel wurde gewechselt. Da müssen sich junge Mütter und Väter bereits Gedanken machen, wie sie den Alltag mit dem neuen Erdenbürger bewältigen können. Denn vielfach ist es unerlässlich, dass die Eltern möglichst zeitnah nach der Geburt wieder ins volle Berufsleben einsteigen; bei Alleinerziehenden umso mehr.

Welver – Daher ist der Verbleib des kleinen Mädchens oder Jungen zu klären, wenn denn Mama und Papa bei der Arbeit sind. Mehr und mehr gewinnt daher die Arbeit von Tagesmüttern an Bedeutung, wenn denn eine Kindertagesstätte noch nicht in Frage kommt. In der Gemeinde Welver sind es aktuell sieben Einrichtungen, die diese Dienstleistung anbieten. Aktuell gibt es zwei Großtagespflegen, die jeweils bis zu neun Kinder aufnehmen können. Die sechs weiteren Kindertagespflegen können bis zu fünf Mädchen und Jungen gleichzeitig betreuen.

Ab Sommer 2023 wird es aber nur noch eine Großtagespflege geben, und zwar an der Werler Straße im Zentralort. Die Einrichtung in Scheidingen, die „Minimäuse“, wird hingegen nur noch als Kindertagespflege für fünf Steppkes geführt, die Heike Bitter vom Jugendamt des Kreises Soest erläutert: „Wir haben in Welver ab nächsten Sommer nur noch eine Großtagespflege mit neun Plätzen und sechs Kindertagespflegen mit 29 Plätzen.“

Heike Radike von „Minimäusen“ in Scheidingen musste aufgrund der neuen Situation drei Absagen für den Sommer 2023 erteilen. Dabei ist der Bedarf auch aus ihrer Sicht riesig: „Ich habe sogar schon eine Warteliste für 2024.“ Sie hat die Einrichtung im Sommer 2017 eröffnet, nachdem sie früher in Warstein in einer Großtagespflege tätig war. Seit 2019 laufen die „Minimäuse“ als Großtagespflege, im kommenden Sommer wird das Rad wieder zurückgedreht.

Damit setzt sich der Trend fort, den Viktoria Michalski von der Kindertagespflege „Augenstern“ in Eilmsen aufzeigt: „Ich habe vor acht Jahren begonnen, damals waren es 14 Personen in der Kindertagespflege.“ In jüngster Zeit aber sei der Beruf weniger attraktiv geworden, führt sie die stagnierenden Einkommensmöglichkeiten an. Heike Radike ergänzt, dass beispielsweise in Hamm besser bezahlt werde als im Kreis Soest: „Da gibt es einen Euro mehr pro Stunde!“

Hohe Ansprüche

Heike Bitter weiß, dass auch die gestiegenen Anforderungen in der Ausbildung ein Hemmnis sind. Im Kibiz-Gesetz sind die Qualitätsansprüche angehoben worden. So ist seit August vorgeschrieben, dass statt wie bisher 160 Unterrichtseinheiten demnächst 300 Einheiten absolviert werden müssen, ehe die entsprechende Qualifizierung erreicht worden ist.

Damit wird den Anforderungen nach höherer Qualität, die im Gesetz festgeschrieben ist, Rechnung getragen. Das kann Viktoria Michalski durchaus nachvollziehen. Denn: „Es ist ja nicht nur ein Aufpassen auf die Kinder, sondern ein gleichwertiges Angebot im Vergleich zu den Kindertagesstätten.“

Nur eben viel individueller. Daher entscheiden sich viele Eltern oder diejenigen, die dabei sind, Eltern zu werden, für diese Art der Betreuung ihrer Kinder. „Viele Mütter und Väter wählen ganz bewusst die Kindertagespflege, schätzen die kleine Gruppe, wenn sie ihr Kind in fremde Hände geben“, so Viktoria Michalski, die selber Mutter dreier Kinder ist.

Sie hat daheim am Hesselnkamp in Eilmsen Räumlichkeiten geschaffen mit Rutsche und Matten, auch eine Spieleecke und einen Außenbereich im Garten. Es wird gemeinsam gebastelt, zum Beispiel Laternen für den bevorstehenden St.Martins-Tag. Dann werden auch die leckeren Brezel verspeist, die gemeinsam gebacken werden.

Der direkte Draht zwischen Eltern und Pflegeperson ist ein wichtiger Faktor. „Ich habe zwar eine Homepage für die erste Information über das Internet. Doch wichtig ist das persönliche Kennenlernen, in dem die Eltern das Konzept vorgestellt bekommen, auch die Örtlichkeit“, verweist die Eilmserin darauf, dass auch die Chemie stimmen muss.

Davon spricht auch Heike Bitter vom Kreisjugendamt: „Die Eltern erfahren auf diese Weise zum Beispiel auch, ob in der Einrichtung Haustiere sind.“ Es gebe schließlich ganz unterschiedliche Konzepte in den einzelnen Kindertagespflegen. „Jeder muss sehen, welche Einrichtung am besten passt.“

Bisweilen ist dies aber kein Wunschkonzert. „Wir haben eine lange Warteliste“, erklärt Nina Peters, die mit ihrem Mann Johann an der Werler Straße die Großtagespflege „Kleine Mäuse“ betreibt. „Der Bedarf wird immer größer“, kann sie sich vor Anfragen kaum retten, die sogar aus dem Werler Raum kommen.

Anfragen für 2024

In der Regel nimmt sie Kinder ab einem Jahr, doch stehen die Türen auch für jüngere Kinder offen. „Es gibt ja auch Mütter, die noch zur Schule gehen oder ihren Beruf aufnehmen müssen. Dann geht das schon ab der neunten Woche.“ Sie hat viel Erfahrung in dem Beruf, den sie schon seit 18 Jahren ausübt. Im fünften Jahr läuft nun die Großtagespflege.

Die Nachfrage übersteigt auf jeden Fall das Angebot. „Für den Sommer 2023 sind viele jetzt schon voll“, weiß Heike Bitter. „Es gibt sogar schon Anfragen für 2024.“ Daher ist den jungen Eltern rechtzeitige Kontaktaufnahme zu empfehlen, zumal es in der eigenen Entscheidung der selbstständig arbeitenden Pflegepersonen liegt, ob ein Vertrag abgeschlossen wird.

Quelle: Soester Anzeiger, 10.11.2022 von Dirk Wilms